Trotz globaler Führung: Tesla in Europa in einer tiefen Absatzkrise

Der einstige Pionier der Elektromobilität, Tesla, kämpft in Europa mit massiven Herausforderungen. Die Absatzzahlen im Oktober und November 2025 sprechen eine deutliche Sprache: In vielen Schlüsselmärkten bricht die Nachfrage dramatisch ein, während der Gesamtmarkt für Elektroautos weiterhin wächst. Die Gründe sind vielfältig – von starker Konkurrenz über das umstrittene Auftreten von CEO Elon Musk bis hin zu Unsicherheiten bei den Käufern.

Fakten und Zahlen: Einbrüche im Oktober und November 2025

Die jüngsten Zulassungszahlen aus Europa im Oktober 2025 zeichnen ein düsteres Bild für den US-Autobauer. Besonders in den traditionell E-Auto-affinen skandinavischen Ländern sind die Einbrüche erschreckend.

LandRückgang im Oktober 2025 (ggü. VJ)Konkrete Zahl (Oktober 2025)
Schweden-89 %Nur 133 Neuzulassungen
Dänemark-86 %Kaum besser als Schweden
Spanien-30,6 %393 Neuzulassungen
NorwegenStarker Rückgang(Genaue Zahlen nicht genannt, aber betroffen)

Selbst auf dem größten Automarkt Europas, Deutschland, setzte sich der Abwärtstrend im Herbst 2025 fort, wenn auch auf Jahressicht bereits im Vorfeld ein starker Rückgang zu verzeichnen war. Im ersten Halbjahr 2025 sanken die Neuzulassungen in Deutschland bereits um fast 60 %. Auch in anderen großen Märkten wie Frankreich (-63 % im ersten Halbjahr, im Oktober nur leichter Zuwachs nach massivem Vorjahresrückgang) und den Niederlanden (Jahresrückgang um 42 %) ist die Situation angespannt.

  • Kontrast zum Gesamtmarkt: Die Krise verschärft sich, weil der europäische Gesamtmarkt für Elektroautos in diesem Zeitraum weiterhin wächst. Während Tesla Marktanteile verliert, gewinnen andere Hersteller – insbesondere aus Asien und etablierte europäische Marken – massiv hinzu.
  • Erodierender Marktanteil: Teslas Marktanteil am europäischen E-Auto-Segment ist von einst rund 20 % im Jahr 2023 auf unter 10 % gesunken. Im EU-Gesamtmarkt lag der Anteil bereits im Frühjahr 2025 nur noch bei 1,1 %.

Einschätzung: Die vielschichtigen Ursachen der Krise

Die Gründe für Teslas anhaltende Schwäche in Europa sind komplex und reichen über rein wirtschaftliche Faktoren hinaus:

1. Härterer Wettbewerb

Der größte Wandel ist der gesättigte Markt. Die Konkurrenz schläft nicht: Etablierte deutsche Hersteller (wie VW, BMW) und aufstrebende chinesische Marken (wie BYD) drängen mit attraktiven und wettbewerbsfähigen Modellen auf den Markt. Das Model Y, lange Zeit ein Bestseller, verliert an Exklusivität und muss sich gegen eine breitere Palette an SUVs und Limousinen behaupten. Das kürzliche Facelift des Model Y („Project Juniper“) führte im Zuge von Produktionsumstellungen zu Verzögerungen und konnte den Trend bisher nicht stoppen.

2. Das „Musk-Risiko“ und Imageverlust

Das persönliche Auftreten von CEO Elon Musk spielt in Europa eine zunehmend kritische Rolle. Seine häufigen, polarisierenden politischen Äußerungen und Kontroversen wirken sich negativ auf das Image der Marke aus. Besonders in Skandinavien, wo die Kaufentscheidung oft von moralischen und ethischen Aspekten beeinflusst wird, führen diese Faktoren zu Kaufboykotten. Musk wird von einem Teil der Käuferschaft zunehmend nicht mehr als visionärer Tech-Pionier, sondern als Risikofaktor wahrgenommen.

3. Technologische Stagnation und Sicherheit

Auch die Technologie gerät unter Beschuss. Teslas „Full Self Driving“ (FSD) wird weiterhin nur als Autonomiestufe 2 eingestuft – ein Feature, das Musk seit Jahren als bahnbrechend anpreist, aber hinter den Erwartungen bleibt und zudem in den USA wegen Sicherheitsbedenken stark in der Kritik steht. Dieser „Technologie-Vorsprung“, der lange Teslas Hauptargument war, schwindet angesichts des schnellen Fortschritts der Konkurrenz.

Zukunftsausblick: Zwischen Hoffnungsträgern und Herausforderungen

Die kurzfristige Aussicht bleibt angespannt. Tesla muss schnell reagieren, um das Vertrauen der europäischen Kunden zurückzugewinnen und sich im verschärften Wettbewerb neu zu positionieren.

  • Der „Billig-Tesla“: Die größte Hoffnung ruht auf der erwarteten Einführung eines günstigeren Einstiegsmodells (oft als „Model 2“ spekuliert). Ein preisgünstiges Fahrzeug wäre essenziell, um gegen die Konkurrenz aus China und Europa zu bestehen und den Massenmarkt zu erschließen.
  • Stärkung von Grünheide: Die einzige europäische Fabrik in Grünheide bei Berlin spielt eine Schlüsselrolle. Trotz der Krise hält Tesla an der Produktion fest. Die lokale Fertigung soll die Liefersicherheit erhöhen und die Abhängigkeit von Importen reduzieren. Zudem beliefert Grünheide auch andere Märkte, was die Widerstandsfähigkeit erhöhen soll.
  • Fokus auf das Energiegeschäft: Ein Lichtblick ist das stark wachsende Energiespeichergeschäft, das mit einem Umsatzplus von 44 % im dritten Quartal 2025 einen immer größeren Teil zum Gesamtumsatz beiträgt. Hier könnte Tesla eine Kompensation für die schwächelnden Autoverkäufe finden.

Fazit: Tesla befindet sich in Europa in einer kritischen Phase. Die einbrechenden Verkaufszahlen im Herbst 2025 sind ein Weckruf. Nur eine strategische Neuausrichtung, die sowohl auf preislich attraktive Modelle als auch auf eine Stabilisierung des Markenimages (unabhängig von Musks öffentlicher Rolle) setzt, wird den ehemaligen Marktführer davor bewahren, dauerhaft an Relevanz auf einem der wichtigsten Elektromobilitätsmärkte der Welt zu verlieren.

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