– und warum die Angst trotzdem mitfährt.
Es ist eine Nachricht, die wie ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk wirken könnte, doch in den Werkshallen von Zwickau-Mosel mischt sich die Erleichterung mit bitterem Realismus. Die ursprünglich beschlossene Verlagerung der volumenstarken Elektromodelle VW ID.3 und Cupra Born in das Stammwerk Wolfsburg ist vom Tisch – zumindest vorerst. Volkswagen bestätigte Mitte Dezember 2025, dass beide Modelle länger als geplant in Sachsen gefertigt werden.
Was auf den ersten Blick wie ein klares Bekenntnis zum sächsischen E-Mobilitäts-Vorreiter wirkt, ist bei genauerer Betrachtung ein komplexes Puzzle aus Konzernstrategie, verzögerten Anläufen in Wolfsburg und einem knallharten Sparkurs, der trotz der positiven Modell-Nachricht Arbeitsplätze kostet.
Die Hintergründe: Warum Wolfsburg warten muss
Der ursprüngliche Plan des Konzerns sah vor, Zwickau schrittweise zu „entlasten“ und die Produktion der Kompakt-Stromer nach Wolfsburg und Emden zu verlagern, um die dortigen Werke besser auszulasten. Dass dieser Plan nun revidiert wurde, hat weniger mit einer plötzlichen Liebeserklärung an Zwickau zu tun, als vielmehr mit der Realität der Märkte und der Technik.
- Verzögerungen im Stammwerk: Die Transformation des Wolfsburger Werks für die Produktion der MEB-Modelle (Modularer E-Antriebs-Baukasten) und der künftigen SSP-Plattform (Scalable Systems Platform) stockt. Der Anlauf neuer Modelle verschiebt sich, weshalb eine parallele Fertigung oder ein kompletter Abzug aus Zwickau derzeit logistisch und wirtschaftlich keinen Sinn ergibt.
- Der „German Standard“ aus Sachsen: Zwickau gilt intern als das effizienteste E-Auto-Werk des Konzerns. Seit der vollständigen Umrüstung für 1,2 Milliarden Euro (abgeschlossen 2020) liefert der Standort eine Fertigungsqualität, die als Benchmark im Konzern gilt. Den Cupra Born – das sportliche Aushängeschild der spanischen Tochter Seat – jetzt aus einer eingespielten Fertigung zu reißen, wäre ein Risiko für die Qualität gewesen.
Ein Sieg für den Standort – aber zu welchem Preis?
Für die Region Zwickau und das „Autoland Sachsen“ ist der Verbleib der Modelle essenziell. Zwickau ist ein Mehrmarken-Werk (VW, Audi, Cupra). Wären ID.3 und Born abgezogen worden, hätte der Standort fast nur noch am Audi Q4 e-tron gehangen – eine gefährliche Monokultur in volatilen Zeiten.
Doch die Medaille hat eine dunkle Kehrseite. Trotz der gesicherten Modelle setzt VW den Rotstift an:
- Stellenabbau: Rund 1.000 befristete Arbeitsverträge laufen zum Ende des Jahres 2025 aus und werden nicht verlängert.
- Die Stimmung: In der Belegschaft herrscht eine Atmosphäre, die Betriebsräte als „Sterben auf Raten“ bezeichnen. Die Nachricht, dass die Autos bleiben, wird überschattet von der Gewissheit, dass viele Kollegen gehen müssen. Die „Beschäftigungssicherung“ bis 2029/2030 gilt nur für die Stammbelegschaft, während die Flexibilitätsschicht – oft junge Fachkräfte – den Preis für die schwankende Nachfrage zahlt.
Bedeutung für die Region: Mehr als nur Blech und Batterien
Zwickau ist nicht irgendein Werk. Es ist historisch gesehen die Wiege der sächsischen Automobilindustrie (Horch, Audi, Trabant) und war das erste Werk eines großen Herstellers weltweit, das komplett von Verbrenner auf Elektro umgestellt wurde.
- Wirtschaftsfaktor: VW Sachsen ist der größte private Arbeitgeber im Freistaat. An jedem Arbeitsplatz im Werk hängen statistisch gesehen 2-3 weitere Jobs bei Zulieferern, Dienstleistern und im lokalen Handwerk.
- Symbolkraft: Wenn Zwickau hustet, bekommt die sächsische Wirtschaft eine Lungenentzündung. Der Verbleib der Modelle sendet daher ein wichtiges Signal der Stabilität an die Zulieferindustrie in Chemnitz, Dresden und Leipzig, die ebenfalls massiv in die E-Mobilität investiert hat.
Analyse: Ein echtes Bekenntnis zur E-Mobilität?
Ist die Entscheidung nun das erhoffte „Ja“ zur elektrischen Zukunft? Ja und Nein.
Pro: VW hält an Zwickau als Kompetenzzentrum fest. Man traut dem Standort zu, die volumenstarken Modelle (ID.3/Born) weiterhin in hoher Qualität und Effizienz zu bauen. Es zeigt, dass man die Expertise der sächsischen „E-Pioniere“ nicht einfach durch eine Verlagerung nach Niedersachsen ersetzen kann.
Contra: Die Entscheidung wirkt getrieben von Notwendigkeiten, nicht von Visionen. Sie ist eine Reaktion auf Probleme in Wolfsburg und schwächelnde Absatzzahlen, die keine zwei Fertigungslinien für denselben Fahrzeugtyp rechtfertigen. Das „Bekenntnis“ ist also eher eine „Zweckgemeinschaft auf Zeit“.
Fazit
Der Cupra Born und der VW ID.3 bleiben „Sachsen“. Das sichert die Grundauslastung des Werkes Zwickau für die nächsten Jahre und bestätigt den hohen „Deutschen Standard“, den die Belegschaft dort liefert. Doch der Preis ist hoch: Der Verlust von 1.000 Arbeitsplätzen zeigt, dass die Transformation der Autoindustrie längst in ihrer härtesten Phase angekommen ist – einer Phase, in der auch „gute Nachrichten“ über Modellverbleibe nicht mehr jeden Arbeitsplatz retten können.
Für VW ist es eine Atempause, um die Strategie neu zu ordnen. Für die Menschen in Zwickau ist es die Hoffnung, dass ihr Werk nicht zum Spielball konzerninterner Verschiebungen wird, sondern als das anerkannt bleibt, was es ist: Der Leuchtturm der Elektromobilität im Osten.
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