Herzschrittmacher und Elektroauto: Mythos vs. Fakten – Müssen sich Herzpatienten sorgen?

Elektromobilität ist auf dem Vormarsch, doch mit der neuen Technik kommen auch Fragen zur Gesundheit auf. Besonders Menschen mit Herzschrittmachern oder Defibrillatoren sind oft verunsichert: Verträgt sich hochempfindliche Medizintechnik mit den starken Magnetfeldern eines E-Motors? Wir geben Entwarnung und klären auf.

Der Umstieg auf das Elektroauto ist für viele beschlossene Sache. Doch gerade ältere Autofahrer oder Menschen mit Vorerkrankungen zögern oft. In Internetforen und am Stammtisch hält sich hartnäckig das Gerücht: „Die elektromagnetische Strahlung im E-Auto stört den Herzschrittmacher.“

Ist da etwas dran? Müssen Herzpatienten auf den lautlosen Fahrspaß verzichten? Wir haben die Faktenlage geprüft und Studien gewälzt. Die kurze Antwort vorab: Nein, Sie müssen nicht verzichten.

Die Angst vor dem „Elektrosmog“

Die Sorge ist verständlich: Ein Elektroauto bewegt sich durch starke elektrische Ströme. Wo Strom fließt, entstehen elektromagnetische Felder (EMF). Herzschrittmacher und implantierte Defibrillatoren (ICDs) sind darauf ausgelegt, elektrische Impulse des Herzens zu messen – theoretisch könnten starke externe Felder diese Geräte also verwirren oder fälschlicherweise eine Therapie auslösen.

Wissenschaft gibt grünes Licht

Um genau dieses Risiko zu bewerten, haben Mediziner und Ingenieure – unter anderem am Deutschen Herzzentrum München – umfangreiche Untersuchungen durchgeführt. Dabei wurden Patienten mit verschiedenen Implantaten in Elektroautos gesetzt und sowohl während der Fahrt als auch beim Ladevorgang überwacht.

Das Ergebnis ist eindeutig: Es konnten keine klinisch relevanten Störungen nachgewiesen werden. Moderne Elektroautos sind hervorragend abgeschirmt. Die Fahrgastzelle wirkt wie ein faradayscher Käfig, und die Hochvolt-Leitungen sind im Fahrzeugboden so isoliert und verlegt, dass im Innenraum kaum nennenswerte Strahlung ankommt. Tatsächlich ist die elektromagnetische Belastung durch alltägliche Haushaltsgeräte – wie einen Föhn, eine Bohrmaschine oder Induktionsherde – oft punktuell höher als im Sitz eines Tesla, VW ID oder BMW i-Modells.

Thema Laden: Worauf man dennoch achten sollte

Wenn das Auto fährt, ist alles sicher. Aber was ist beim Laden, besonders am Supercharger oder HPC-Lader, wenn hunderte Kilowatt durch die Leitungen fließen?

Auch hier zeigten Studien keine Fehlfunktionen der Implantate. Dennoch raten Kardiologen zu einer gesunden „Better safe than sorry“-Strategie (Vorsicht ist besser als Nachsicht). Da die magnetischen Felder direkt am Kabel und an der Ladesäule am stärksten sind, gelten folgende Verhaltenstipps als Best Practice:

  1. Abstand halten: Lehnen Sie sich während des aktiven Ladevorgangs nicht dauerhaft an die Ladesäule oder das Auto, direkt dort, wo das Kabel eingesteckt ist.
  2. Kabelmanagement: Wenn Sie das schwere Ladekabel einstecken, achten Sie darauf, es nicht direkt über die Brust (und damit über das Implantat) zu legen oder unter den Arm zu klemmen. Halten Sie es mit gestrecktem Arm.
  3. Einsteigen und entspannen: Im Auto selbst können Sie auch während des Ladens bedenkenlos sitzen bleiben.

Der unterschätzte Vorteil: E-Autos als „Herz-Schoner“

Was in der Diskussion um Strahlung oft vergessen wird, ist der psychologische und physische Aspekt des Fahrens. Kardiologen betonen oft, dass Stress Gift für das Herz ist. Hier kann das E-Auto seinen größten Trumpf ausspielen.

Das Fahren im Elektroauto ist vibrationsarm, leise und dank Eingang-Getriebe und One-Pedal-Driving extrem gleichmäßig. Das hektische Schalten und die Lärmbelastung eines Verbrenners entfallen. Viele Patienten berichten, dass sie im E-Auto deutlich entspannter am Ziel ankommen. Ein modernes E-Auto mit Assistenzsystemen ist also oft weniger belastend für das Herz-Kreislauf-System als ein alter Diesel ohne Automatik.

Einziges Manko: Die „Reichweitenangst“. Wer sich ständig sorgt, ob der Akku reicht, erzeugt Stress. Herzpatienten sollten daher beim Kauf auf eine solide Reichweite und eine gute Ladeinfrastruktur achten, um diesen Stressfaktor zu eliminieren.

Fazit

Die Technik ist reif und sicher. Weder der E-Motor noch die Batterie stellen für Patienten mit Herzschrittmachern oder Defibrillatoren eine Gefahr dar, die über das normale Lebensrisiko hinausgeht.

Wichtig ist vielmehr der allgemeine Gesundheitszustand: Wer unter akuten Rhythmusstörungen leidet oder das Bewusstsein verlieren könnte, darf kein Auto steuern – egal ob Benzin, Diesel oder Elektro. Ist der Kardiologe aber zufrieden, steht der elektrischen Fahrt nichts im Wege.

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